Stadtrundgang durch Arles

Stadtrundgang durch Arles (Bouches-du-Rhône) Provence, Süd-Frankreich Stadtrundgang durch Arles (Bouches-du-Rhône) Provence, Süd-Frankreich

Stadtrundgang durch Arles (Bouches-du-Rhône) Provence, Süd-Frankreich

Vom Strom bepackter Einkäufer wird man durch die Rue Jean-Jaurès auf die Place de la République geschoben, wo die Marktschreier nach Meinung der Stadtväter nichts verloren haben.

Bild: Zugbrücke bei Arles (van Gogh)

Der Platz gehört in Würde gealterten Kirchen und Museen, allen voran der romanischen Kathedrale St-Trophime (1078-1152). Ihr Prunkstück ist das Portal, hinter dem sich, von außen kaum zu erahnen, ein 20 m hohes Tonnengewölbe mit einem gotischen Chor des 15. Jh. verbirgt.

Die Arbeiten am aufwendigen Bildprogramm des Portikus waren vermutlich noch nicht beendet, als Friedrich Barbarossa am 30. Juli 1180 durch das Portal schritt und die Kathedrale als gekrönter König von Arelate wieder verließ. Dass der Portikus den formalen Aufbau eines antiken Ehrenbogens übernimmt, ist nicht als standesgemäße Huldigung an königliche und bischöfliche Kirchgänger zu verstehen.

Die romanische Kirchenbaukunst bediente sich der Triumphbogenarchitektur, weil sich das Bauprinzip zur Verherrlichung des christlichen Glaubens und für plastische Darstellungen der heilsgeschichtlichen Lehre und des Weltgerichts eignete.

Das St-Trophime-Portal zeigt im Halbkreis des Tympanons den gestrengen Weltenrichter Jesus, eingerahmt von den vier Evangelistensymbolen. Das Mittelstück des Frieses bilden die zwölf Apostel als Beisitzer des Weltengerichts, seitlich umrahmt von Verkündigungs-, Erlösungs- und Höllenmotiven.

Der erste Bischof von Arles, St-Trophime, hat als Dritter von links einen Platz zwischen den zehn Säulenheiligen gefunden. Seine Reliquien werden im Innern aufbewahrt, was die Kirche zum wichtigen Etappenziel der Jakobspilger auf der Via Tolosana nach Santiago de Compostela machte, jeder Stadtrundgang durch Arles muss also ebenfalls hierher führen.

Zum Kreuzgang der Kathedrale mit je zwei romanischen (12. Jh.) und gotischen (14. Jh.) Galerien gelangt man durch den ehemaligen Bischofspalast, rechts des Kirchenportals. So manchen Baustein werden sich die Kirchenbauer vom benachbarten Römischen Theater stibitzt haben, das zeitgleich mit dem weitaus besser erhaltenen Theater von Orange in augustäischer Zeit erbaut wurde und zeitweilig Wohnhäusern Platz bot, die zum Schutz von Sarazeneneinfällen hinter der soliden, nunmehr fast vollständig zerstörten Bühnenwand errichtet wurden.

Die gleiche Zweckentfremdung widerfuhr dem zweigeschossigen Amphitheater 141, dessen 26 000 Zuschauer fassendes Oval aus der zweiten Hälfte des 1. Jh. einer kleinen mittelalterlichen „Stadt in der Stadt“ als Festungsring diente. Zu verlockend wohl war seine alles überblickende Lage auf dem höchsten Punkt der Stadt - heute ein Höhepunkt des Stadtrundgangs durch Arles.

Die drei mittelalterlichen Wachtürme ließ man bei der Freilegung der Arènes im 19. Jh. stehen. Heute haben wesentlich weniger Menschen auf den Steinrängen Platz als zur Zeit der Gladiatorenkämpfe. Dafür schreien sie umso lauter, wenn ihre selbstgefälligen Helden fremdes Blut verspritzen. Die Arena ist eine Hochburg des spanischen Stierkampfes.

Arles eröffnet die südfranzösische Corrida-Saison mit einer mehrtägigen Oster-Feria, bei der sich die Toreros für ein Taschengeld warm stechen, um später, bei der großen Pfingst-Feria in Nîmes, mit treffsicheren Todesstößen das dicke Geld zu machen. Die Corrida-Fans halten es mit Tucholsky: „Das Ganze ist scheußlich, barbarisch, atavistisch, mörderisch, und das nächste Mal gehe ich bestimmt wieder hin.“

Zum Kleinbürger-Viertel La Roquette führt ein Uferbummel entlang des Flusses, dem auch Arles, wie alle Rhône-Städte, den Rücken zukehrt. Auf halbem Wege lohnen drei dicht beieinander gelegene Gemäuer eine Unterbrechung. Das Musée Réattu in der früheren Komturei des Malteserordens (15. Jh.) zeigt Gemälde italienischer, holländischer und französischer Maler des 16. bis 18. Jh. sowie Werke zeitgenössischer Künstler und Picasso-Zeichnungen einer Stiftung. Vis à vis ist die Fotokunst zu Hause.

Das Musée de la Photographie, zugleich Organisationszentrum für das jährliche „Internationale Treffen der Fotografie“ im Juli, dokumentiert mit hervorragenden Ausstellungen den hohen Standard der Kunst- und Gebrauchsfotografie. Vom ehemaligen Palast Konstantins (4. Jh.) sind nur die Thermen erhalten geblieben. Deutlich erkennbar ist das halbrunde Schwimmbecken, in dem der große Staatslenker badete.

So weit die Füße tragen mag man den Uferbummel mit einem Schlenker durchs Roquette-Viertel rund um die 500 m entfernte Kirche St-Césaire beschließen oder direkt zur Place du Forum schlendern, dem schönsten Platz der Stadt, voll gestopft mit Sonnenschirmen, Cafés und Platanen, und zu jeder Tageszeit der beste Ort, um die müden Beine unter einen Bistrotisch zu strecken.

Unversehens wandert der Blick das bunte Häuserquadrat entlang, streift die römischen Giebel- und Säulenreste eines ehemaligen Forum-Tempels in der Fassade des Hôtel Nord Pinus, verharrt vielleicht beim Dichter Mistral, der auf seinem Denkmalssockel der noblen Toreroabsteige schnöde den Rücken zukehrt und bleibt schließlich am „Café de Nuit“ hängen.

Ist das nicht van Goghs berühmtes „Café am Abend“?

Nach ergebnislosem Expertendisput hat der Pinsel eines Anstreichers die Frage entschieden. Die ergraute Kaffeehausfassade wurde kurzerhand mit van Goghschem Ockergelb übertüncht.

Durch die Rue du Palais, über der van Gogh die Sterne mondgroß glitzern ließ, gelangt man nun, fit für weitere Museumsbesuche, zurück zur Place de la République. Rechts neben dem Hôtel de Ville aus dem 17, Jh. mit einer meisterlich eingewölbten Eingangshalle, zeigt das Musée d'Art paien in der ehemaligen Kirche Ste-Anne (17. Jh.) Skulpturen und Büsten, die bei Ausgrabungen römischer Bauten zutage kamen.

Bestes Stück der bemerkenswerten Antikensammlung ist ein Abguss der berühmten „Venus von Arles“, die, armlos und in drei Teile zerfallen, im Theateruntergrund verborgen war. Die Dame wurde Ludwig XIV. zum Geschenk gemacht und wanderte in den Louvre, wo ihr Original in restauriertem Zustand zu bewundern ist. Der Obelisk in der Platzmitte stammt aus Ägypten und diente wohl als „Zielfahne“ für Wagenrennen im römischen Zirkus, von dem bislang keine weiteren Relikte gefunden wurden.

Um so reicher ist die Ausbeute frühchristlicher Sarkophage des Musée d'Art chrétien in der einstigen Jesuitenkapelle (17. Jh.). Die Schmucksärge wurden während des 4./5. Jh. mehrheitlich in Byzanz und örtlichen Werkstätten hergestellt und stammen aus dem römischen Villenviertel Trinquetaille sowie der Nekropole Alyscamps.

Nur der Vatikan verfügt über eine ähnlich große Sarkophagsammlung. Die Reliefs veranschaulichen mit ihrer szenarischen Mischung biblischer und mythologischer Motive die Verflechtung christlicher und heidnischer Kultur im Frühstadium der kirchlichen Missionstätigkeit im Abendland.

Eigentlich hätte die römische Unterwelt der Kirche den passenderen Rahmen für die frühchristlichen Totenkultrelikte, geboten, doch leider bekäme die Feuchtigkeit der schummrigen Kryptoportiken unter dem ehemaligen Forum den Sarkophagen schlecht.Die Funktion des 90 x 60 m messenden „Kellergewölbes“ ist unbekannt.

Dem missionarischen Eifer des Verkünders einer heilen Provence-Welt, Frédéric Mistral, verdankt Arles das kunterbunte Volkskundemuseum Muséon Arlaten. Der Literaturnobelpreisträger steckte das Preisgeld in einen Adelspalast (16. Jh.) und bastelte mit volkstümlichen Exponaten, die jedem historischen und sozialen Kontext entzogen sind, ein Folklorepotpourri zusammen, in dem sich die Provenzalen, für die das Museum eigentlich gedacht war, nur schwerlich wieder erkennen.

Ähnliches gilt leider auch für die Sammlung von kleinen bemalten Tonfiguren, den santons. Ohne Erläuterungen (die bislang fehlen) zur Entstehungsgeschichte und Funktion dieser populären Volkskunst christlichen Ursprungs wird man sie als das provenzalische Pendant zum deutschen Gartenzwerg abtun. Doch ursprünglich waren santons ausschließlich Krippenfiguren, deren Verbreitung die Kirche nach der Französischen Revolution von 1789 betrieb, um verlorenes Terrain zurück zu gewinnen.

Die leicht reproduzierbaren Figuren dienten Klerikern in ländlichen Gebieten mit hoher Analphabetenrate als plastisches Anschauungsmaterial zur Vermittlung biblischer Geschichten. Um die Volksnähe der Kirche zu demonstrieren, benutzte man dazu Figuren, die den Menschen der ländlichen Alltagswelt entsprachen. Erst im späten 19. Jh. verloren die Santons für die Kirche an Bedeutung und mutierten, ihrer Funktion entkleidet, mehr und mehr zum Kitsch.

Bevor man sich auf die Suche nach van Goghs berühmtem Zugbrückenmotiv vor den südwestlichen Toren der Stadt macht, sollte man sich noch einen kurzen Gang über die Reste der uralten Friedhofsmeile Alyscamps gönnen. Wo heute nur noch Sarkophage den schattigen Weg zur alten Friedhofskirche St-Honorat säumen, standen ursprünglich einmal 17 Kirchen.

In der Nekropole schwitzten Totengräber Blut und Wasser, um der Flut von Särgen Herr zu werden, die von der Zunft der Leichenfischer an guten Tagen aus der Rhône geangelt wurden. Ihr Lohn klemmte zwischen den Zähnen der Verstorbenen, die in pechversiegelten Holzsärgen von ihren Hinterbliebenen auf die Flussreise nach Arles geschickt worden waren.

Wer reich oder einflussreich war, ließ seine sterblichen Überreste auf dem Landweg nach Alyscamps schaffen und in einem Steinsarkophag begraben. Warum ausgerechnet hier'? Offensichtlich gab es für gläubige Christen jener Zeit keine bessere Ruhestätte als in unmittelbarer Nähe der heiligen Bischöfe von Arles.

Der jeweils amtierende Bischof von Arles ist es auch, der am 24. und 25. Mai zur alljährlichen Zigeunerwallfahrt in Saintes-Maries-de-la-Mer den Prozessionszug anführt.
Die mehrfach von van Gogh gemalte Zugbrücke Pont de Langlois existiert nicht mehr. Die Beschilderung nach etwa 3 km Wegstrecke auf der D 35 Richtung Port St-Louis leitet zu einem ähnlichen Exemplar dieser beschaulichen Brückenspezies, die an anderer Stelle abgebaut und hierher versetzt wurde

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